Die Geschichte des Deutschen Vereins in Lissabon

 

Der Deutsche Verein in Lissabon wurde am 17. Dezember 1870 ins Leben gerufen. Wir schauen somit auf eine Vereinsgeschichte von mehr als 150 Jahren zurück.

Eine bewegte Zeit, in der der Verein viele glanzvolle Momente erlebte, aber leider auch weniger glückliche Phasen durchleben mußte.

 

1870-1900: Der Ursprung

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann in Portugal eine bedeutsame politische, geistige und wirtschaftliche Entwicklung, die zu einem neuerlichen Zustrom von vielen Deutschen führte.

Aus einem Bericht des preußischen Gesandten, Graf von Raczinsky, über die in Portugal lebenden Deutschen, geht hervor, dass schon Mitte des Jahrhunderts wieder rund 400 Deutsche in Lissabon lebten. Manche von ihnen waren bei Hof beschäftigt, andere dienten als Offiziere im portugiesischen Heer und in der Marine, der Großteil aber war im Handel und im Bankwesen tätig. Viele von ihnen haben entscheidenden Anteil an der Entwicklung des Gastlandes gehabt, das manchen zur neuen Heimat wurde. Nicht alle können hier aufgeführt werden, die damals in Lissabon wirkten und einen Einfluß auf die Beziehung zwischen Portugal und Deutschland ausübten. Um nur einige Namen herauszugreifen, sei an Alfred Keil, den Komponisten der portugiesischen Nationalhymne, an die Familien Wagner, Neuparth und Haupt als bedeutende Musiker, an die Maler August Roquemont und Ludwig Katzenstein, an Biester, Biel, Borchers, Gildemeester, Lindenberg, von Weyhe, Hintze, Baron von Kessler und Wimmer erinnert. Aus Briefen und Dokumenten, die sich in privaten Besitz befinden, wissen wir, dass die deutschen Landsleute damals oft zusammentrafen und die besondere Gunst der portugiesischen Könige D. Fernando II (ebenfalls ein Deutscher), D. Pedro V und D. Luís I genossen.

Eine natürliche Folge dieser Umstände und der Ereignisse in Deutschland und Europa, die im Januar 1871 zur Gründung des Deutschen Reiches führten, war der Zusammenschluss der in Lissabon lebenden und ansässigen Deutschen unter dem Namen “Deutscher Verein Lissabon” am 17. Dezember 1870. Den Ehrenvorsitz übernahm der erste Gesandte des Deutschen Reiches, Graf von Brandenburg. Wenige Wochen danach konnte das erste Heim in der Rua do Alecrim 28 bezogen werden, das dem Verein zu vorteilhaften Bedingungen vom portugiesischen König, D. Luís I aus dem Hause Bragança, mietweise überlassen wurde. Dieser erste Sitz des Vereins lag im damaligen Stadtzentrum und bot von seinen Räumen und Terrassen einen herrlichen Blick über die Tejobucht und den Hafen.

Schon bald jedoch sah sich der Verein Schwierigkeiten gegenüber, da ihm vom Hause Bragança gekündigt wurde. In einem vom 22. März 1893 datierten Schreiben versuchte der Präsident des Vereins, Alfred Carpesius, diese Kündigung rückgängig zu machen. Diese Bittschrift konnte jedoch den Beschluss nicht mehr ändern, in dem großen Anwesen eine der ersten portugiesischen Brauereien einzurichten, die später allgemein unter dem Namen "Cervejaria Jansen" bekannt wurde. Durch das großzügige Entgegenkommen des portugiesischen Königshauses konnte der Verein im darauffolgenden Jahr ein neues, in der Nähe gelegenes und besseres Vereinslokal am Pátio de Pimenta 2 beziehen. In diesem neuen Haus erlebte der Deutsche Verein vor dem ersten Weltkrieg einer seiner Glanzperioden. Weit über Lissabon hinaus war er bekannt für seine Geselligkeit und sein reges kulturelles Leben. Deutsche und portugiesische Dichter, Musiker, Gelehrte und Forscher gingen in diesem Haus ein und aus und haben dort nicht nur für die Mitglieder und Landsleute, sondern auch für viele portugiesische Freunde gewirkt.

Im Jahre 1893 übernahm Generalkonsul Heinrich Daehnhardt den Vorsitz.

 

1900-1950: Die 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts

Einer der Höhepunkte der ersten Jahre des 20. Jahrhunderts war für die Deutschen in Lissabon der Besuch Kaiser Wilhelms II. auf seiner Marrokoreise, im Jahre 1905.

Vom 27. bis zum 30. März war er Gast des portugiesischen Königs, D. Carlos I, und empfing während dieser Tage im Palácio de Belém eine Abordnung der deutschen Kolonie, die vom Generalkonsul und Vorsitzenden des Deutschen Vereins Daehnhardt angeführt wurde.

Im Verlauf dieses Empfanges sagte der Kaiser: "… dass er bisher nur Gutes von der deutschen Kolonie in Lissabon gehört, und dass auch S.M. der König von Portugal, sich ihm gegenüber lobend über diesselbe ausgesprochen habe. Er hoffe, dass die Deutschen in Lissabon auch fernhin ihr Deutschtum hochhalten und dem deutschen Namen allzeit Ehre machen würden."

Nach dem Tode des seit 1893 amtierenden Vorsitzenden Generalkonsul Daehnhardt, im Jahre 1907, wurde der alteingesessene und angesehene Kaufmann Carl Wermuth sein Nachfolger.

Mit Beginn des Ersten Weltkrieges (1914-1918) und dem Abzug vieler in Portugal lebender Deutscher sah sich der Verein immer größer werdender Schwierigkeiten gegenüber. In dieser Zeit - im Mai 1915 - übernahm Hans Wimmer den Vorsitz und führte die Geschäfte trotz aller Schwierigkeiten weiter, bis schließlich im Jahre 1916 als Folge der Kriegserklärung Portugals das Vereinsleben vorübergehend völlig zum Erliegen kam.

Das Heim des Deutschen Vereins am Pátio de Pimenta 2 und die gesamte Einrichtung einschließlich einer bedeutenden Bücherei wurde während des Krieges beschlagnahmt und liquidiert.

Damit war eine glanzvolle Zeit im Leben des Deutschen Vereins zu Ende gegangen. Als die in Portugal internierten und die nach Spanien ausgewiesenen Deutschen sich in den Jahren 1916 bis 1921 wieder in Lissabon zusammenfanden, kam der Wunsch auf, trotz aller großen Probleme jener Zeit den Deutschen Verein neu zu beleben.

In einer Hauptversammlung vom 4. März 1922, die in den Räumen des Deutschen Konsulats abgehalten wurde, konnte der Verein in seiner alten Gestalt wieder ins Leben gerufen werden. Der alte Vorstand von 1916, der während des Krieges im Amt geblieben war, wurde wieder gewählt und ergänzt. Bei dieser Gelegenheit wurde auch eine der ersten und bedeutesten Satzungen des Deutschen Vereins in Lissabon vorgelegt und genehmigt.

Durch das Entgegenkommen der portugiesischen Regierung, die für das während des Krieges beschlagnahmte deutsche Eigentum der "Deutschen Kolonie" eine Entschädigung zahlte, konnte in der Rua do Passadiço 86 ein Grundstück erworben werden, wo Schule und Verein gemeinsam unterkamen. Schon im Januar 1923 wurde das neue Heim bezogen, zunächst nur mit notdürftiger Austattung, und am 14. April 1923 fand in diesen Räumen die erste Hauptversammlung statt, die mehr als 200 Personen zusammenführte.

Eine großzügige Schenkung der alteingesessenen Lissaboner Familie Weinstein und ein Beitrag der gesamten Deutschen Kolonie ermöglichten Umbauten an diesem Gebäude und die Errichtung eines Nebengebäudes in dem dahinter liegenden Garten. Damit verfügte der Verein zum ersten Mal über einen großen Festsaal mit einer voll ausgebauten Bühne und gemütlichen Räumen, in denen der Wirtschaftsbetrieb, die Bücherei, die Lese- und Spielzimmer untergebracht wurden. Ungeachtet der wirtschaftlichen Krise der zwanziger Jahre herrschten schon bald in dem neuen Heim reges Leben und Treiben, sodass man daran gehen konnte, neben dem Sportplatz auch einen Tennisplatz und eine Kegelbahn zu bauen.

Bei Sylvester- und Karnevalsbällen oder bei fröhlichen Veranstaltungen anlässlich der vielen Flottenbesuche kam die Kolonie zusammen, und immer häufiger führten Vorträge, Konzerte, Dichterlesungen, Filmvorführungen und andere kulturelle Veranstaltungen deutsche und portugiesische Freunde zusammen.

Besondere Festlichkeiten gab es im Goethejahr 1932, aus Anlass des hundertsten Todestages dieses großen Dichters. Schon 1931 hatte der Generalkonsul Ernst Daehnhardt kurz vor seinem Tode die Gesangsabteilung des Deutschen Vereins ins Leben gerufen. Sie trat bei verschiedenen Festen im Verein auf und wirkte auch bei Gottesdiensten mit. Gleichzeitig entwickelte sich auch die Sportabteilung, die in einem Jeden die Möglichkeit gab, den von ihm bevorzugten Sport zu treiben. Viele friedliche Wettkämpfe sind damals mit portugiesischen Clubs ausgetragen worden und manche Freundschaft ist daraus entstanden. Immer wieder aber trafen sich die Mitglieder des Vereins mit ihren portugiesischen Freunden zum geselligen Beisammensein in der Rua do Passadiço 86, und die fröhlichen Feste dieser Zeit sind unvergessen geblieben.

Endlich waren die Auswirkungen des Ersten Weltkrieges überwunden. Der Verein besaß nun ein Landheim in Carcavelos, in dem auch ein Kindergarten und die beiden ersten Grundschuljahre für die zwischen Lissabon und Cascais lebenden Kinder eingerichtet wurden.

Der Zweite Weltkrieg schuf wieder eine ganz neue Lage. Der Verein musste seine Tätigkeit zeitweilig unterbrechen. Das Vereinsgebäude und Grundstück in der Rua do Passadiço wurden beschlagnahmt und später von der allierten Kontrollkommission an einen portugiesischen Sportklub veräußert.

Im Ersten Weltkrieg war es dem damaligen Vorsitzenden Hans Wimmer gelungen, zumindest das Archiv, die Protokollbücher und einige wenige andere Unterlagen über die Wirren der Zeit hinüber zu retten. Leider ging im Jahr 1945 das gesamte Archiv verloren, sowie alles Inventar, die wieder einige tausend Bücher umfassende Bibliothek und eine bedeutende Platten- und Filmsammlung. In Übereinstimmung mit dem Abkommen von Bretton Woods (1944) stellte die portugiesische Regierung das gesamte Vermögen in Portugal unter Treuhandverwaltung.

 

1950-heute: Die 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts bis ins neue Jahrtausend

Nachdem die portugiesische Regierung das gesamte Vermögen in Portugal, gemäß des Abkommens von Bretton Woods (1944), unter Treuhandverwaltung gestellt hatte, konnte der Verein erst 1955, nach der weitgehenden Freigabe der deutschen Vermögen, seine Tätigkeit wieder aufnehmen.

Viele vorbereitende Versammlungen waren nötig und die notwendigsten Mittel mussten beschafft werden, bevor in der Rua António Augusto de Aguiar 20 ein neues Heim gefunden werden konnte. Die feierliche Einweihung fand am 8. Juli 1958 statt, und die Räume waren zu klein, um die vielen hundert Menschen zu fassen, die aus der näheren und weiteren Umgebung Lissabons zu diesem Ereignis zusammengekommen waren.

Den beengten Verhältnissen zum Trotz wurde der Verein bald wieder Treffpunkt für die in Lissabon lebenden Deutschen und darüber hinaus auch eine Stätte der Begegnung mit Angehörigen anderer Nationalitäten, ganz besonders natürlich mit unseren portugiesischen Freunden.

Alle Mitglieder waren sich bewußt, dass dieses Vereinslokal nur eine Übergangslösung darstellen konnte, und schon früh setzten Bestrebungen ein, trotz der knappen finanziellen Mittel zu einem größeren, freundlicheren und repräsentativeren Heim zu kommen. Dieses Vorhaben konnte jedoch nur durch die großzügige Unterstützung der Bartholomäus-Brüderschaft der Deutschen in Lissabon (Associação de S. Bartolomeu dos Alemães em Lisboa) verwirklicht werden, die in dem Edifício Angola, in der Av. Engenheiro Duarte Pacheco 21 das zweite Stockwerk für den Verein erwarb, einrichtete und es ihm gegen Pacht überließ.

Am 18. Mai 1967 wurde der Verein feierlich eingeweiht, in Anwesenheit des Ministro de Saúde e Assistência, des Deutschen Botschafters, des Lissaboner Oberbürgermeisters, vieler anderer Würdenträger und zahlreicher Mitglieder.

Endlich konnten auch Kontakte zu den Angehörigen des Gastlandes und zu anderen deutschsprachigen Gruppen wieder angeknüpft oder vertieft werden. Zahlreich wie nie zuvor traten portugiesische Freunde und Angehörige anderer Nationalitäten dem Verein bei.

In den Jahren 1970 bis April 1974 konnten die Präsidenten Friedrich W. Issel und Siegfried Sommer noch auf ein normales Klubleben zurückblicken. Aber mit der "Nelkenrevolution" vom 25. April 1974 änderte sich die Situation im Deutschen Verein schlagartig. Die Besucherfrequenz in den Räumlichkeiten des Vereins ließ nach; viele Mitglieder traten aus, der Verein geriet in ernsthafte finanzielle Schwierigkeiten. Löhne und Gehälter fürs Personal konnten nicht mehr aufgebracht werden.

Obwohl die Bartholomäus-Brüderschaft immer wieder mit Krediten ausgeholfen hatte, war die Schließung des Vereinslokals unausweichlich geworden. Ende Februar 1976 wurde der Verein aufgelöst. Die Bibliothek und Ausrüstungsgegenstände wurden vom Deutschen Altenheim übernommen. Der Verein schuldete der Bartholomäus Brüderschaft ca. 800.000,00 Esc. Die Schuld wurde später erlassen.

Ende des gleichen Jahres ist der Deutsche Verein Lissabon unter seinem alten traditionsreichen Namen wieder zu neuem Leben erweckt worden. Präsident wurde Hermann Schumann. In seiner Präsidentschaft (1976 - 1979) wie auch unter seinem Nachfolger im Präsidentenamt, Hans Volkmann (1979 - 1982), gab es wieder Neuaufnahmen, sowie kulturelle und gesellschaftliche Veranstaltungen unter zunehmender und stets willkommener Mitwirkung von deutsch-portugiesischen Ehepaaren.

Karin Peitz wurde 1982 aus den Reihen des Vorstandes zum ersten weiblichen Präsidenten des Vereins gewählt. Sie wurde wegen ihrer schöpferischen Initiativen jedes Jahr wiedergewählt, bis sie aus eigenem Willen nach sieben Präsidentschaftsjahren nicht mehr kandidierte.

Mit wertvollen "Stützen" und einer größer gewordenen, motivierten Mitgliederschaft, darunter auch Schweizer und Österreicher, konnte der Vereinsvorstand Ende Dezember 1985 zu einem der glanzvollsten Gala-Dinners seit Kriegsende einladen. Anlass war das 115. Jubiläum des Deutschen Vereins, der im offiziellen portugiesischen Vereinsregister als "Clube Alemão em Lisboa" (Deutscher Klub in Lissabon) eingetragen ist. 1989 wurde Holger Kleebach aus den Reihen des Vorstandes zum Präsidenten gewählt und konnte aus den Händen von Karin Peitz eine gut funktionierende, und finanziell nicht auf schwachen Füßen stehende, multinationale Gemeinschaft übernehmen.

Der anfänglich als nachteilig empfundene Mangel an eigenen Räumlichkeiten hat sich als weniger störend herausgestellt, zumal keine Miet- und Gehaltskosten wie ehedem anfielen. Die Veranstaltungen wurden jetzt immer an verschiedenen Orten anberaumt. Das Programm beinhaltet seitdem Auto-Rallyes, Wandertage, Gesellschaftstanz, Bootsfahrten, Wochenendausflüge zum Kennenlernen portugiesischer Kulturen, Tennis- und Golfturniere, Touristen-Straßenbahnfahrten durch Lissabon, Abendtreffen zum Kennenlernen neuer Mitglieder, Besuche von Austellungen, Theater und Opernbesuche, Lesungen, Veranstaltungen nach Anregungen aus dem Mitgliederkreis u.v.m.   

Hans Volkmann übernahm 1997 die Präsidentschaft, trat aber aus beruflichen Gründen 1998 zurück. Daraufhin wurde Monika Wittmer, die seit 1996 dem Vorstand angehörte, zur Präsidentin gewählt. In ihrer über siebenjähriger Amtszeit rief sie unter anderem den Internetauftritt des Vereins ins Leben. Ihr Nachfolger Alexander Freese brachte in den Jahren 2006-2018 mit einem jungen Team viel Schwung in die Vereinsaktivitäten, begleitet von hoher Qualität der kulturellen und gesellschaftlichen Veranstaltungen. Seit April 2018 agiert Frank-Olme Speck als Präsident des Vereines. Eine neue lebendige Internetseite und die "Verlinkung" mit anderen Vereinen und Institutionen tragen zur Modernisierung des Vereinslebens bei.